Freunde alter Menschen e.V.
Community Care – Altwerden im vertrauten Wohnumfeld
„Jern würde ick noch mal verreisen. Mal raus aus der Bude.“, sagt Käthe Wagner (92) im schönsten Berlinerisch. Mit diesem Wunsch ist sie nicht allein. Doch eine Reise ist für Käthe und die anderen Alten Freunde nicht mehr ohne weiteres möglich. Sie sind nicht mehr mobil und auf fremde Hilfe angewiesen, wenn sie das Haus verlassen möchten. Der Berliner Verein Freunde alter Menschen möchte Käthe und den anderen Alten Freunden ihren Wunsch erfüllen. „An meine letzte Reise, kann ick mir ehrlich jesagt, nicht mehr erinnern.“, erzählt sie weiter und fährt mit flacher Hand verlegen über den Tisch. Gern sei sie früher verreist, das weiß sie noch genau.
Inzwischen ist Käthe Wagner nicht mehr gut auf den Beinen. Allein rausgehen, geschweige denn verreisen, ist nicht mehr möglich und leisten könnte sie sich eine Reise erstrecht nicht. So geht es vielen der Alten Freunde. Aus diesem Grund ermöglicht der Verein „Freunde alter Menschen“ ihnen jedes Jahr eine „kleine Flucht“ aus ihrem tristen Alltag. Es soll für ein langes Wochenende nach Rheinsberg gehen. Die Stadt liegt neunzig Kilometer entfernt von Berlin am Grienricksee. Eine längere An- und Abreise wären zu beschwerlich. Mit dem Fahrdienst werden die Alten Freunde zuhause abgeholt und am Sonntag wieder dorthin gebracht. Ein Team von Freiwilligen begleitet sie auf dieser Reise.
Freunde alter Menschen hat sich zur Aufgabe gemacht, hochbetagte Menschen vor Einsamkeit und Isolation zu bewahren. Im Mittelpunkt des Engagements stehen Besuchspartnerschaften zwischen jung und alt. Oft entwickelt sich daraus eine Freundschaft, die bis zum Lebensende des alten Menschen andauert. Im Treffpunkt in Berlin Kreuzberg finden regelmäßig Veranstaltungen, wie zum Beispiel Erzählcafés oder gemeinsame Koch- und Spielrunden statt. Bei allen Aktivitäten gilt stets das Prinzip eines freundschaftlichen Kontakts auf Augenhöhe. Ziel des Engagements ist es, wieder Hoffnung und Lebensfreude bei den Alten Freunden einziehen zu lassen.
Die Unterstützung bei einem selbstbestimmten Leben durch den Verein Freunde alter Menschen, umfasst noch eine Vielzahl anderer Aspekte. Laut einer Emnid Umfrage aus dem Jahr 2011 bevorzugen zwei Drittel der Befragten ein selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden. Durch den Ausbau ambulanter Pflegedienste konnte zwar die Zeit zu Hause erheblich verlängert werden, bei komplexen Problemlagen, z.B. einer demenziellen Erkrankung des alten Menschen, bleibt jedoch oft als scheinbar einzige Möglichkeit die Übersiedlung in ein Pflegeheim. Die Ursachen für diesen vermeintlichen Automatismus liegen auf vielen Ebenen: Wohnungen, die nicht mehr bedarfsgerecht sind, ein ausgedünntes Dienstleistungsangebot und eine zunehmend anonyme Nachbarschaftsstruktur verstärken Tendenzen zur Abhängigkeit von professionellen Hilfesystemen bei gleichzeitigem Verlust eines selbstbestimmten Lebens. In Kooperation mit zwei Berliner Baugenossenschaften wurde 2006 im Berliner Bezirk Mariendorf ein Community-Care-Projekt ins Leben gerufen. Ziel dieses Community Care-Projektes ist es, alten Menschen ein selbstbestimmtes Wohnen in vertrauter Umgebung bis zu ihrem Lebensende zu ermöglichen. Das Projekt wurde mit dem Altenhilfepreis des DRK ausgezeichnet.
Ein weiteres Projekt dieser Art ist im Berliner Bezirk Reinickendorf für Ende 2013 geplant. Mit den im Rahmen der JUVE Awards 2013 gesammelten Spenden, soll dieses neue Community Care-Projekt unterstützt werden.
Das aktuelle Projekt
Reinickendorf, ein Randbezirk im Norden Berlins, weist im Vergleich zu anderen Berliner Bezirken einen hohen Altenanteil auf. 27% der Bevölkerung sind 60 Jahre und älter. Der Anteil an Single-Haushalten beträgt 43,5%. Bei einer Verstärkung der Entwicklung drohen Isolation im Alter und eine Zunahme der Übersiedlungen in Pflegeheime.
In Zusammenarbeit mit der Berliner Baugenossenschaft möchte Freunde alter Menschen Nachbarschaftsstrukturen etablieren, ausbauen und stärken, sowie ältere Menschen mit bedarfsgerechten Dienstleistern und Angeboten besser vernetzen.
Daneben stellt Freunde alter Menschen mit Besuchspartnerschaften, nachbarschaftsfördernden Veranstaltungen und einem professionellen Beratungsangebot weitere Bausteine zur Verfügung, die ein lebenslanges Verbleiben im vertrauten Umfeld auch bei eintretender Hilfebedürftigkeit möglich machen. Dadurch soll die Übersiedlung in stationäre Pflegeeinrichtungen verhindert werden.
Der Verein ist auch in anderen Bereichen der Altenhilfe tätig. So hat er 1995 die erste Demenz-Wohngemeinschaft ins Leben gerufen. Ein alternatives Pflegemodell, das deutschlandweit Schule macht. Heute engagiert er sich für die Entwicklung von Qualitätskriterien in Demenz-Wohngemeinschaften. Dieses Engagement mündete in einem vom Bundesfamilienministerium (BMFSJ) beauftragten und finanzierten Bundesmodellprojekt „Qualitätssicherung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften“.
(Foto: Hilfe zum selbstbestimmten Leben: Klaus Pawletko, Geschäftsführer des Vereins „Freunde alter Menschen e.V.“, freut sich über die Spendengelder in Höhe von 94.100 Euro.)