Literaturwerkstätten

„Die Kluft bleibt unverändert tief“ titelte die FAZ im Juni diesen Jahres anlässlich der Veröffentlichung des dritten Bildungsberichts im Auftrag von Bund und Ländern. Sie fasste damit eines der wesentlichen Ergebnisse des Berichts zusammen: die nach wie vor starke Abhängigkeit des sogenannten Bildungserfolgs von sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht.

Literaturarbeit mit Jugendlichen

Wer daran etwas ändern will, ist nach wie vor meist auf Privatinitiativen angewiesen – Leute die sich engagieren, um etwas zu verändern, so wie die Schriftstellerin Mirijam Günter. Wer wie sie loszieht, um Menschen Literatur näherzubringen, die damit sonst wahrscheinlich keine Berührung hätten, dem schlägt viel Unverständnis entgegen. Mirijam Günter tut es trotzdem – in Förderschulen, Hauptschulen oder Jugendgefängnissen führt sie seit vier Jahren erfolgreich Literaturwerkstätten durch und stößt Türen auf zur Welt von Sprache und Literatur.

Dabei sind selbst viele der Schüler, die ihr begegnen, anfangs der Meinung, das kann nicht passen – sie und Literatur. Am Ende einer Woche mit Schiller, Heine und der Auseinandersetzung mit Sprache entstehen durch Texte und Gedichte, die sie selber geschrieben haben, ganz neue Perspektiven und das Wissen, dass Literatur nicht nur etwas für die Anderen ist. „In der Literaturwerkstatt haben wir viele neue Dinge kennengelernt, wir haben gemeinsame Ideen ausgetauscht“, beschreibt es ein Teilnehmer.

Mirijam Günter gelingt es, diesen Zugang zu Sprache und Literatur herzustellen vielleicht besser als manch anderen, da sie beide Seiten kennt. Sie ist Schriftstellerin. Literatur und Sprache sind ihr Beruf. Gleichzeitig hat sie in ihrem Leben viel von dem erlebt und gesehen, was auch die Jugendlichen, mit denen sie arbeitet, geprägt hat. Sie hat es nach einer Heim- und Hauptschulkarriere „die sich gewaschen hat“ geschafft, Schriftstellerin zu werden, hat für ihr erstes Buch „Heim“ den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg 2003 erhalten, mittlerweile zwei Jugendbücher veröffentlicht und schreibt – wenn sie nicht an Schulen und in Gefängnissen unterwegs ist – an ihrem dritten Roman.

Ihre Arbeit mit Jugendlichen zu finanzieren ist bislang allerdings ein sehr schwieriges Unterfangen. Das Geld für eine einwöchige Literaturwerkstatt bewilligt zu bekommen, scheitert für viele Einrichtungen am oben erwähnten Unverständnis. „Das haben Sie nicht von mir, aber Literatur und Sonderschule das passt nicht zusammen“, ist nur eine der Rückmeldungen, die Mirijam Günter auf einen der vielen abgelehnten Anträge bekommen hat. So mussten viele interessierte Schulen bisher abgewiesen werden. Günters Honorar für ihre Arbeit ist zwar bescheiden, aber die Gesamtkosten für die Literaturwerkstatt inklusive Reisekosten, Unterbringung und Materialien summieren sich auf ca. 1.000 Euro und die wenigsten Haupt- oder Sonderschulen haben Fördervereine, die ein derartiges Unterfangen finanzieren könnten.

Das Projekt

JUVE hat eine Organisation gesucht, die die Rahmenbedingungen schafft, um die Literaturarbeit mit den Kindern und Jugendlichen zu finanzieren und auszubauen. Zusammen mit der Jugendkunstschule Köln e.V. wurde ein Projekt entwickelt, mit dem zum einen die Literaturwerkstätten von Miriam Günter für mehr Schulen und Einrichtungen in Deutschland möglich gemacht werden und das zudem die Perspektive bietet, diese auch auf andere Autoren zu erweitern.

Als ein Träger der freien Jugendhilfe in Köln bietet die 1983 gegründete Organisation Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Vorbildung die Möglichkeit, in Kursen, Workshops und Projekten ihre Kreativität zu entwickeln. Die Programmangebote der Jugendkunstschule umfassen neben den Kursen und Workshops in den Bereichen Bildende Kunst, Musik und musikalisch-künstlerischer Früherziehung auch Projekte zur Sprach- und Leseförderung in Schulen, Anti-Gewalt-Training (Video-, Tanzprojekte), bis hin zu größeren Stadtteilprojekten mit Schulen, Jugend- oder Bürgerzentren, die ab 2011 durch die Literaturwerkstätten mit Mirijam Günter und Jugendlichen in Haupt- und Förderschulen ergänzt werden.

 

(Foto: Mirijam Günter nimmt den Spendencheck über 67.175 Euro von JUVE-Mitarbeiter Rüdiger Albert entgegen.)